Sommerhitze: Wie hoch darf die Raumtemperatur am Arbeitsplatz werden?

Pünktlich zur sommer­lichen Hitze haben dieses Jahr die Sommer­ferien angefangen. Für die Schüler ist es daher ein leichtes sich in einem Freibad oder einem See abzukühlen. Schwie­riger wird dies für die arbei­tende Bevöl­kerung. Denn leider gibt es kein generelles „Hitzefrei“ für Arbeit­nehmer. Manche Arbeit­nehmer haben Glück und kommen in den Genuss einer Klima­anlage. Aber vielen anderen bleibt nichts anderes übrig, als in der Sommer­hitze am Arbeits­platz zu schwitzen. Wie warm darf die Raumtem­pe­ratur aber am Arbeits­platz werden?

 

Gibt es eine zu beachtende Höchsttemperatur in Arbeitsräumen?

Nach dem Arbeits­schutz­gesetz muss der Arbeit­geber im Rahmen seiner Fürsor­ge­pflicht eine Gefähr­dungs­be­ur­teilung durch­führen und erfor­der­liche Maßnahmen zur Gewähr­leistung der Sicherheit und Gesundheit seiner Beschäf­tigten treffen. Diese Pflicht wird mit der Arbeits­stät­ten­ver­ordnung zum Schutz der Arbeit­nehmer präzi­siert. Sie enthält Regelungen zur Sicherheit und dem Gesund­heits­schutz der Beschäf­tigten. So müssen nach Punkt 3.5 Abs. 1 des Anhangs der ArbStättV die Arbeits­räume während der Nutzungs­dauer unter Berück­sich­tigung der Arbeits­ver­fahren, der körper­lichen Anfor­de­rungen der Beschäf­tigten und des spezi­fi­schen Nutzungs­zwecks des Raums eine „gesund­heitlich zuträg­liche Raumtem­pe­ratur“ haben. Die ArbStättV enthält aber keine konkreten Vorschriften zur Raumtem­pe­ratur. Die Verordnung wird jedoch durch die Arbeitsstätten‐Richtlinien (ASR) konkre­ti­siert, an der sich die Gerichte bei der Auslegung des Begriffs „gesund­heitlich zuträg­liche Raumtem­pe­ratur“ maßgeblich orien­tieren. Und nach der Richt­linie  ASR A3.5 soll gemäß Punkt 4.2 Abs. 3 die Raumtem­pe­ratur in den Arbeits­räumen nicht 26 °C überschreiten. Ausge­nommen sind nur sogenannte Hitzearbeitsplätze.

 

konkretisierende Richtlinien mit Empfehlungscharakter

Bei dieser Richt­linie handelt es sich zwar nicht um eine zwingende eigen­ständige Norm, sondern um gesicherte arbeits­wis­sen­schaft­liche Empfeh­lungen. Aller­dings wird diese ASR zur normen­kon­kre­ti­sie­renden Verwal­tungs­vor­schrift mit Außen­wirkung und ist als solche auch von den Gerichten zu beachten, sofern das Bundes­mi­nis­terium für Arbeit und Soziales eine ASR gemäß § 7 Abs. 4 im Gemein­samen Minis­te­ri­al­blatt bekannt gegeben hat (vgl. VG Dresden, Urteil vom 3. Februar 2016 – 4 K 802/12 –).

Der Arbeit­geber darf, sofern er diese techni­schen Regeln einhält, davon ausgehen, dass er die Anfor­de­rungen der Arbeits­stät­ten­schutz­ver­ordnung erfüllt. Der Arbeit­geber hat jedoch hinsichtlich der Maßnahmen auch einen Gestal­tungs­spielraum. Es ist ihm freige­stellt, von diesem Regelwerk abzuweichen und andere Lösungen zu finden, um die Arbeits­si­cherheit bezüglich der Raumtem­pe­ratur zu gewähr­leisten. Er muss damit aber die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesund­heits­schutz erreichen wie mit den in der ASR vorge­schla­genen techni­schen Regeln. (Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2019 – 8 B 44/18 –; BAG, Beschluss vom 18. Juli 2017 – 1 ABR 59/15 –).

 

Was kann oder muss der Arbeitgeber bei Überschreitung der Raumtemperatur unternehmen?

Wird es im Büro zu warm, führt dies nicht automa­tisch dazu, dass der Arbeit­nehmer die Arbeit nieder­legen oder längere Pausen machen darf. Vielmehr ist der Arbeitgeber daran gehalten durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Tempe­ratur nicht zu sehr steigt.

 

+ 26 ° C: Arbeitgeber soll handeln 

Liegt die Außen­luft­tem­pe­ratur über 26 °C und wurden geeignete Sonnen­schutz­maß­nahmen, wie das Anbringen von Jalousien oder Vorhängen getroffen, kann nach der ASR A3.5 eine Überschreitung der Raumluft­tem­pe­ratur von ebenfalls 26 °C zu einer Gesund­heits­ge­fährdung führen. Dann sollen zusätz­liche Maßnahmen ergriffen werden. Dies können beispiels­weise die effektive Steuerung des Sonnen­schutzes und der Lüftungs­ein­richtung, die Reduzierung der Wärme­lasten durch vermin­derten Einsatz von techni­schen Geräten, Lüftung in den frühen Morgen­stunden, Arbeits­zeit­ver­la­gerung, Lockerung von Beklei­dungs­vor­schriften oder Bereit­stellung und Nutzung von Venti­la­toren sein. 

Der Arbeit­geber ist bei diesen Raumtem­pe­ra­turen zwar noch nicht verpflichtet, diese oder andere geeignete Maßnahmen zu ergreifen, sollte dies aber angesichts seiner Fürsor­ge­pflicht und in seinem Interesse an der Aufrecht­erhaltung der Gesundheit und Leistungs­fä­higkeit seiner Beschäf­tigten bereits bei diesen Tempe­ra­turen ernsthaft in Betracht ziehen.

 

+30 °C und +35 °C: Arbeigeber muss handeln

Liegt die Lufttem­pe­ratur im Raum sogar über 30 °C müssen solche Maßnahmen wirksam ergriffen werden.

Bei einer Raumtem­pe­ratur von über 35 °C ist der Raum für die Zeit der Überschreitung nicht mehr als Arbeitsraum geeignet, sofern nicht technische Maßnahmen wie Klima­an­lagen, Luftdu­schen oder Wasser­schleier instal­liert werden, persön­liche Schutz­aus­rüstung zur Verfügung gestellt wird oder die Wärme­be­lastung durch organi­sa­to­rische Maßnahmen, wie Festlegung zusätz­licher Entwär­mungs­phasen verringert wird.

 

Was kann der Arbeitnehmer bei Überschreitung der Raumtemperatur unternehmen?

Nur in extremen Ausnah­me­fällen, etwa wenn der Arbeit­nehmer keine geeig­neten Maßnahmen ergreift oder diese nicht wirken sind, kann eine Arbeits­nie­der­legung gerecht­fertigt sein. (Mehr zur Arbeits­ver­wei­gerung, deren Berech­tigung und Folgen können Sie hier lesen.)

Zuvor sollte natürlich das Gespräch mit dem Arbeit­geber gesucht werden und auf eine Abhilfe durch die oben genannten Maßnahmen hinge­wirkt werden.

Der Arbeit­nehmer kann auch, sofern vorhanden,   den Betriebsrat infor­mieren, der seiner­seits  Vorschläge zur Reduzierung der Raumtem­pe­ratur einreichen und bei der Umsetzung dieser Maßnahmen mitwirken kann. Geht der Arbeit­geber nicht auf diese Vorschläge ein, kann der Betriebsrat die Einigungs­stelle anrufen.

Der Arbeit­nehmer kann auch das zuständige Gewer­be­auf­sichtsamt infor­mieren, dass im Einzelfall gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 1 ArbSchG anordnen kann, dass und welche Maßnahmen der Arbeit­geber und die verant­wort­lichen Personen oder die Beschäf­tigten zur Erfüllung der Pflichten bezüglich des Arbeits­schutzes und hier insbe­sondere des Wärme­schutzes zu treffen haben.

SI Rechtsanwaltsgesellschaft mbH