Zu Kündigungen im Rahmen der Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof

Zu Kündigungen im Rahmen der Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof

13. June 2024 betriebsbedingte Kündigung Insolvenz 0

Nach dem Insol­venz­antrag vom 9. Januar 2024 steht das Insol­venz­ver­fahren von Galeria Karstadt Kaufhof inzwi­schen nach der Zustimmung der Gläubi­ger­ver­sammlung zu dem Sanie­rungsplan zwar formell vor dem Abschluss. Dennoch werden auch im Rahmen der Sanierung deutsch­landweit – nach derzei­tigem Kennt­nis­stand – wohl nur neun Filialen schließen. Zunächst war von 16 Filialen die Rede. In Berlin sollen die Waren­häuser in der Frank­furter Allee in Lichtenberg und im Tempel­hofer Damm in Tempelhof geschlossen werden. Die Gefahr für viele Beschäf­tigte, ihren Arbeits­platz zu verlieren, besteht also weiterhin.

Welche Fililalen von Galeria Karstadt Kaufhof sind in Berlin von der Schließung betroffen?

 

Geplante Galeria Karstadt Kaufhof Schließungen in Berlin

In Berlin sollen zum 31. August 2024 folgende Galeria Karstadt Kaufhof Filialen schließen:

  • Galeria Berlin Ringcenter (Frank­furter Allee 115–117) und
  • Galeria Berlin Tempelhof (Tempel­hofer Damm 191)

Die zunächst auf der Streich­liste gestandene Galeria Filiale in Berlin‐Spandau bleibt jetzt doch bestehen. Auch die Galeria in Potsdam konnte kurzfristig noch gerettet werden, wie am 12.06.2024 bekannt wurde. Deutsch­landweit sollen jetzt nur noch neun Filialen geschlossen werden.

Grund­sätzlich sind im Rahmen einer Insolvenz sind einige Beson­der­heiten zu beachten.

 

Interessensausgleich Nachteilsausgleich und Sozialplan

Bevor betriebs­be­dingte Kündi­gungen in Betracht kommen, muss der Arbeit­geber bei einer Betriebs­än­derung mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan und Inter­es­sens­aus­gleich verhandeln. Beides wird meistens zugleich verhandelt.

 

Interessensausgleich

Im Inter­es­sens­aus­gleich wird zwischen dem Arbeit­geber und dem Betriebsrat festgelegt, welche Änderungen der Arbeit­geber im Rahmen einer Betriebs­än­derung anstrebt. Es geht also um einen Plan, was sich durch welche Maßnahmen wann im Betrieb ändern wird. Das kann beispiels­weise den Zeitpunkt für Kündi­gungen betreffen, die grund­sätz­liche Anzahl der Arbeit­nehmer, die entlassen werden sollen oder wirtschaft­liche Sanierungsmaßnahmen.

Wie die Folgen der Betriebs­än­derung für die Arbeit­nehmer gemildert werden sollen, ist dagegen nicht Bestandteil eines Inter­es­sens­aus­gleichs, sondern wird vielmehr im Sozialplan vereinbart.

 

Nachteilsausgleich

Insofern ergeben sich aus dem Inter­es­sens­aus­gleich zunächst keine Ansprüche für die Arbeit­nehmer. Weicht der Arbeit­geber jedoch von den Verein­ba­rungen des Inter­es­sens­aus­gleichs ohne zwingenden Grund ab oder versucht der Arbeit­geber nicht einmal  mit dem Betriebsrat einen Inter­es­sens­aus­gleich zu erzielen, können die betrof­fenen Arbeit­nehmer beim Arbeits­ge­richt gemäß § 113 BetrVG einen Nachteils­aus­gleich in Form einer Abfindung einklagen. Die Höhe dieser Abfindung legt dann das Arbeits­ge­richt fest und kann bis zu zwölf Monats­ver­diensten betragen. Bei Beschäf­tigten, die mindestens 55 Jahre alt sind und deren Arbeits­ver­hältnis mindestens 20 Jahre bestanden hat kann die Abfindung auch bis zu achtzehn Monats­ver­dienste betragen.

 

Sozialplan

Im Sozialplan soll berück­sichtigt werden, wie die wirtschaft­lichen Nachteile der Betriebs­schlie­ßungen für die Beschäf­tigten ausge­glichen oder zumindest gemildert werden können. Übliche Mittel sind dabei die Zahlung von Abfin­dungen, Freistel­lungs­re­ge­lungen, finan­zielle Zuschüsse oder ein Wechsel von Arbeit­nehmern in eine Transfergesellschaft.

Über einen Sozialplan zu verhandeln ist ein Mitbe­stim­mungs­recht des Betriebs­rates. Das hat zur Folge, dass der Betriebsrat eine Einigung über einen Sozialplan mit Hilfe der Einigungs­stelle sogar erzwingen kann.

Was im Sozialplan geregelt wird, ist verbindlich und gibt den Arbeit­nehmern einklagbare Ansprüche. Der Sozialplan und die im ihm erzielten Einigungen müssen schriftlich festge­halten werden. Die Verbind­lich­keiten aus einem solchen Sozialplan sind Masse­ver­bind­lich­keiten. Sozial­plan­for­de­rungen können aber leider gemäß § 123 Abs. 2 InsO (Insol­venz­ordnung) anteilig gekürzt werden, wenn kein Insol­venzplan zustande kommt, die Geldmittel nicht zur Befrie­digung aller Forde­rungen ausreichen und der Gesamt­betrag aller Sozial­plan­for­de­rungen eine bestimmte Grenze übersteigt. Wenn die Insol­venz­masse nicht ausreicht wird eine sogenannte Insol­venz­quote gebildet. Dann bekommt jeder Gläubiger nur einen Prozentsatz seiner Forderung im Verhältnis seiner Forde­rungen zur verblie­benen Insolvenzmasse. 

In die Insol­venz­masse kann übrigens nicht zwangs­voll­streckt werden ( §123 Abs. 3 S. 2 InsO).

 

Insolvenzgeld

Insol­venzgeld ist eine Ersatz­leistung in Höhe des Netto­ar­beits­ent­geltes durch die Agentur für Arbeit für Beschäf­tigte und auch Prakti­kanten, Studie­rende oder sogar sogenannte Dritte, die wegen einer Insolvenz ihres Arbeit­gebers ihr Entgelt, bzw. ein Teil des Entgeltes nicht bekommen haben. Dritte können beispiels­weise Unter­halts­be­rech­tigte sein.

Gemäß § 165 SGB III  haben Arbeit­neh­me­rinnen und Arbeit­nehmer Anspruch auf Insol­venzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insol­venz­er­eignis für die voraus­ge­gan­genen drei Monate des Arbeits­ver­hält­nisses noch Ansprüche auf Arbeits­entgelt haben. Ein solches Insol­venz­er­eignis ist beispiels­weise die Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens über das Vermögen des Arbeit­gebers. Insol­venzgeld wird rückwirkend gezahlt.

Damit wird die Gefahr von Lohnaus­fällen zumindest etwas gemindert. Offene Entgelt­for­de­rungen, die über den Zeitraum des Insol­venz­geldes hinaus­gehen, müssen aber als Masse­for­de­rungen beim Insol­venz­ver­walter angemeldet werden. Nicht ausge­zahlte Abfin­dungen aus einem Aufhe­bungs­vertrag werden übrigens nicht über Insol­venzgeld ausgeglichen.

 

Aufhebungsvertrag

Mögli­cher­weise bietet der Arbeit­geber oder Insol­venz­ver­walter auch den Abschluss eines Aufhe­bungs­ver­trages an. Durch einen Aufhe­bungs­vertrag einigen sich die Arbeits­ver­trags­par­teien einver­nehmlich, dass der Arbeit­nehmer freiwillig auf den Fortbe­stand seines Arbeits­ver­hält­nisses verzichtet. Der Aufhe­bungs­vertrag unter­liegt nicht den schüt­zenden Regelungen des Kündi­gungs­schutz­recht. Ist er einmal abgeschlossen, kann er nur in wenigen Ausnah­me­fällen rückgängig gemacht werden. (Mehr dazu können Sie hier lesen). Oft bekommen Arbeit­nehmer dafür zum Ausgleich eine Abfindung. Ob diese gezahlt wird und wie hoch diese ist, hängt von der Verhandlung mit dem Arbeit­geber. (Mehr grund­sätz­liche Infor­ma­tionen zum Aufhe­bungs­vertrag können Sie hier lesen.)

Bei einem Insol­venz­er­eignis muss man zusätzlich bedenken, dass es einen erheb­lichen Unter­schied macht, ob der Aufhe­bungs­vertrag vor oder nach der Insol­venz­er­öffnung geschlossen wurde.

Wurde der Aufhe­bungs­vertrag vor Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens geschlossen, gehört eine etwaige noch nicht ausge­zahlte Abfindung zu den Insol­venz­ver­bind­lich­keiten des Arbeit­gebers. Der Arbeit­nehmer müsste dann gemäß § 108 InsO seinen Abfin­dungs­an­spruch als Insol­venz­gläu­biger geltend machen und steht dann in der Rangfolge der Verteilung der Insol­venz­masse recht weit hinten. Mögli­cher­weise wird die Abfindung auch überhaupt nicht ausge­zahlt, wenn die Geldmittel der Arbeit­ge­berin nicht ausreichen, alle Verbind­lich­keiten zu befrie­digen. Im schlimmsten Fall könnte der Insol­venz­ver­walter im Rahmen einer Insol­venz­an­fechtung unter Umständen sogar bereits ausge­zahlte Abfin­dungen zurück­ver­langen, wenn bei Abschluss des Aufhe­bungs­ver­trages die bevor­ste­hende Insolvenz bereits bekannt war.

Anders ist es, wenn der Aufhe­bungs­vertrag nach Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens geschlossen wird. Die Forderung aus dem Abfin­dungs­an­spruch wird dann nicht in die Insol­venz­ta­belle aufge­nommen und muss vorab, vor den Insol­venz­gläu­bigern, aus der Insol­venz­masse befriedigt werden.

 

Insolvenz selbst kein Kündigungsgrund

Sind im Rahmen der Insolvenz des Arbeit­gebers Kündi­gungen nicht zu vermeiden, gelten dennoch weiterhin  die allge­meinen Regelungen zum Kündi­gungs­schutz. Grund­sätzlich besteht das Arbeits­ver­hältnis in der Insolvenz des Arbeit­gebers gemäß § 108 Insol­venz­ordnung (InsO) weiter fort. Soll das Arbeits­ver­hältnis beendet werden, muss es gekündigt werden.

Sofern das Kündi­gungs­schutz­gesetz anwendbar ist – mehr als 20 Beschäf­tigte (dies dürfte bei Galeria Karstadt Kaufhof der Fall sein) und länger als 6 Monate beschäftigt – muss demnach eine Kündigung durch einen Kündi­gungs­grund sozial gerecht­fertigt sein. Die Insolvenz selbst ist kein recht­fer­ti­gender Kündigungsgrund.

Der Kündi­gungs­grund muss im Verhalten oder der Person des Arbeit­nehmers liegen oder es müssen dringende betrieb­liche Erfor­der­nisse einer Weiter­be­schäf­tigung in diesem Betrieb entge­gen­stehen (betriebs­be­dingte Kündigung). Dazu später mehr.

 

Kündigungsfrist drei Monate

Eine weitere Beson­derheit im Insol­venz­ver­fahren ist, dass die maximale Kündi­gungs­frist für eine ordent­liche Kündigung während der Insolvenz gemäß § 113 InsO auf drei Monate beschränkt auch wenn gemäß Arbeits­vertrag, Tarif­ver­trägen oder nach allge­meinen Regelungen des BGB eigentlich eine längere Kündi­gungs­frist einzu­halten wäre. Eine regulär kürzere Kündi­gungs­frist hat aber weiterhin Bestand. Die Kündigung darf dann aber frühestens zum Zeitpunkt der Schließung des Betriebs, bzw. Betriebs­teils erfolgen.

Auch die fristlose Kündigung ist weiterhin möglich. Aller­dings nur bei schwer­wie­genden Pflichtverletzungen.

 

Sonderkündigungsschutz beachten

Auch besondere Regelungen zum Sonder­kün­di­gungs­schutz beispiels­weise für Schwangere, Arbeit­nehmer in Elternzeit oder Schwer­be­hin­derte müssen weiterhin beachtet werden. So muss vor Ausspruch einer Kündigung gegebe­nen­falls die Zustimmung der zustän­digen Landes­be­hörde eingeholt werden. (Mehr dazu können Sie hier lesen.) Und natürlich sind besondere Lebens­um­stände auch im Rahmen des Sozial­plans zu berücksichtigen.

Aber auch wenn das Unter­nehmen nach dem Abschluss des Insol­venz­ver­fahren noch weiterhin besteht, kann es im Zuge der Sanie­rungs­maß­nahmen dennoch zu Schlie­ßungen und Verklei­ne­rungen der Beleg­schaft und damit zu betriebs­be­dingten Kündi­gungen kommen.

Übrigens: Wird ein Betrieb oder ein Betriebsteil veräußert, sind Kündi­gungen des Arbeits­ver­hält­nisses durch den Arbeit­geber oder den Erwerber allein wegen des Betriebs­über­gangs gemäß § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Der neue Inhaber kann sich nicht unlieb­samer Arbeits­ver­träge entle­digen und sie durch neue – für ihn günstigere – ersetzen. Die Altar­beits­ver­träge werden mit übernommen und laufen weiter fort. Eine Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses aus anderen Gründen ist aber möglich.

 

Betriebsbedingte Kündigung

Auch wenn verhal­tens­be­dingte und perso­nen­be­dingte Kündi­gungen während der Insolvenz möglich sind, wird die betriebs­be­dingte Kündigung wegen der Schließung oder Zusam­men­legung von Stand­orten der häufigste Kündi­gungs­grund sein.

 

Wegfall des Arbeitsplatzes

Diese darf erst dann ausge­sprochen werden, wenn dafür ein dringendes betrieb­liches Erfor­dernis derge­stalt besteht, dass die endgültige Still­legung des Betriebes oder Betriebs­teils gewiss ist und das Datum der Still­legung mit dem Ablauf der Kündi­gungs­frist übereinstimmt.

Mit anderen Worten: der Arbeits­platz muss wegfallen und der Arbeit­geber muss einen dauerhaft verrin­gerten Arbeits­kräf­te­bedarf haben. Wenn sich der Betrieb zwischen­zeitlich wirtschaftlich erholt, ist eine betriebs­be­dingte Kündigung nicht mehr sozial gerechtfertigt.

Der Arbeits­platz / die Stelle muss auch tatsächlich wegfallen. Es reicht nicht aus, dass die Arbeit auf andere, vollzeit­be­schäf­tigte, Arbeit­nehmer umver­teilt wird.

 

Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

Die betriebs­be­dingte Kündigung ist dann dringlich, wenn es betriebs­intern keine Weiter­be­schäf­ti­gungs­mög­lichkeit besteht.

 

Sozialauswahl

So nicht alle Mitar­beiter entlassen werden, muss der Arbeit­geber eine Sozial­auswahl treffen.

Das bedeutet, er muss prüfen, welchen Arbeit­nehmern unter sozialen Gesichts­punkten die betriebs­be­dingte Kündigung am ehesten zumutbar ist, die also – so grausam das klingt – am wenigsten schutz­be­dürftig sind. Kriterien der Schutz­be­dürf­tigkeit können unter anderem Unter­halts­pflichten, Dauer der Betriebs­zu­ge­hö­rigkeit, Schwer­be­hin­derung oder das Lebens­alter sein.

Die richtige Sozial­auswahl bietet oft Streit‐ und Ansatz­punkte für Kündigungsschutzklagen.

 

Beteiligung des Betriebsrates

Ist in dem Unter­nehmen ein Betriebsrat gebildet, so muss der Arbeit­geber diesen vor der Kündigung des Arbeit­nehmers anhören. Ansonsten ist die betriebs­be­dingte Kündigung gemäß § 102 Absatz 1 BetrVG (Betriebs­ver­fas­sungs­gesetz) unwirksam.

Die nicht ausrei­chende Betei­ligung des Betriebs­rates ist ein häufiger Ansatz­punkt bei Kündigungsschutzklagen.

(Weitere Infor­ma­tionen zur betriebs­be­dingten Kündigung können Sie hier lesen.)

 

Frist für die Kündigungsschutzklage

Gegen eine Kündigung können sich Arbeit­nehmer mit einer Kündi­gungs­schutz­klage wehren. Dafür gibt es aber eine Ausschluss­frist von 3 Wochen ab Zugang der schrift­lichen Kündigung. Wird diese Frist verpasst, wird die Kündigung, mag sie auch noch so fehlerhaft sein, als recht­mäßig anzusehen sein. Eine Wieder­ein­setzung in den vorigen Stand ist nur in sehr seltenen Fällen möglich.

Dieser Text wurde am 13. Juni 2024 aktua­li­siert. Ursprünglich erschien dieser Text am 31.05.2024.

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