Die meisten Menschen stellen sich unter einem Arbeitsvertrag ein mehrseitiges Schriftstück mit vielen Regelungen vor, an dessen Ende ein Datum und zwei Unterschriften stehen. Das kann so sein, ein Arbeitsvertrag kann aber auch mündlich geschlossen werden. Das Gesetz sieht für einen Arbeitsvertrag grundsätzlich keine Schriftform vor. Eine Ausnahme davon bilden befristete bzw. auflösend bedingte Arbeitsverträge. Diese, insbesondere die Fristen und Laufzeiten, sind nach § 14 Abs. 4 TzBfG schriftlich niederzulegen. Wird ein befristeter Arbeitsvertrag nur mündlich vereinbart, so zählt dieser nach § 16 TzBfG automatisch als unbefristeter Arbeitsvertrag. Auch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen können die Schriftform des Arbeitsvertrages vorschreiben. Auch wenn ein mündlicher Arbeitsvertrag nicht der Schriftform bedarf, treffen den Arbeitgeber jedoch nach Abschluss des Vertrages Nachweispflichten bezüglich der wesentlichen Vertragsbestandteile.
Abschluss des mündlichen Arbeitsvertrages
Abseits gesetzlicher, tarifvertraglicher oder betrieblicher Regelungen kommt ein mündlicher Arbeitsvertrag grundsätzlich, ebenso wie andere Verträge, nach den allgemeinen schuldrechtlichen Regeln, durch Angebot und Annahme zustande. Der potentielle Arbeitgeber bietet einen Arbeitsplatz ab einem bestimmten Datum an und der potentielle Arbeitnehmer gibt zu erkennen, dass er ab diesem Zeitpunkt dort arbeiten wird. Dabei müssen sich die Vertragsparteien bewusst sein, dass sie Erklärungen abgeben. Zudem müssen sie sich über die wesentlichen Vertragsbestandteile einig sein. Das sind unter anderem die Art, Ort und Umfang der Arbeitstätigkeit. Üblicherweise wird auch die Vergütung vereinbart. Bleibt dies aus und gibt es auch keine Taxe (staatlich festgesetzte Gebühren), gilt nach § 612 BGB die branchenübliche, zu erwartende Vergütung als vereinbart. Gibt es eine Betriebsvereinbarung oder ist ein Tarifvertrag anwendbar, gelten vorrangig diese Regelungen.
Angebot und Annahme können auch mündlich erklärt werden. Es ist sogar möglich, dass der potentielle Arbeitnehmer das Angebot konkludent, also durch schlüssiges Verhalten annimmt. Etwa, wenn der potentielle Arbeitgeber einen Bewerber fragt, ob dieser am nächsten Tag mit der Arbeit anfangen könne, dieser das dann auch tut und der Arbeitgeber daraufhin nicht widerspricht.
Beendigung des mündlichen Arbeitsvertrages
Ist der Arbeitsvertrag unbefristet geschlossen, kann er dann nur durch Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet werden, nicht etwa durch einen Rücktritt vom Vertrag. Die Kündigungsfristen richten sich nach § 622 BGB. (Mehr zu Kündigungsfristen können Sie hier lesen.)
Kündigungen müssen, im Gegensatz zu Arbeitsverträgen, zwingend schriftlich erfolgen. Das legt § 623 BGB fest. Eine Kündigung darf auch nicht per E‑Mail oder SMS erfolgen. Der Arbeitgeber muss die Kündigung unterschreiben und die Kündigung muss dem Arbeitnehmer zugehen. (Näheres zur Schriftform der Kündigung können sie hier lesen.)
Darlegungs‐ und Beweislast beim mündlichen Arbeitsvertrag
Auch wenn ein mündlicher Arbeitsvertrag rechtsgültig ist, treten in der Praxis aber häufig Probleme auf. Denn die Darlegungs‐ und Beweislast trägt der Arbeitnehmer. Das bedeutet, dass er im Streitfall beweisen muss, dass ein Arbeitsvertrag – mündlich – geschlossen wurde und welche Vereinbarungen zu den Vertragsbestandteilen abgesprochen wurden. Das ist natürlich ohne einen schriftlichen Vertrag schwierig. Denkbar wäre ein Zeugenbeweis. Allerdings dürften in der Praxis die meisten Zeugen, die bei einem Bewerbungsgespräch anwesend sind, dem Lager des potentiellen Arbeitgebers nahestehen und unbedingt zugunsten des potentiellen Arbeitnehmers aussagen. So bliebe vor Gericht dann nur Aussage gegen Aussage.
Mündlicher Arbeitsvertrag und das Nachweisgesetz
Zugunsten des potentiellen Arbeitnehmers gibt es aber eine Regelung im § 2 NachwG (Nachweisgesetz). Diese wurde mit Wirkung zum 1.8.2022 noch einmal verschärft. Danach ist der Arbeitnehmer verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich festzuhalten. Der Arbeitnehmer hat das Recht, diese Niederschrift ausgehändigt zu bekommen.
In die Niederschrift soll mindestens aufgenommen werden:
- der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
- der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
- bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
- der Arbeitsort oder ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann,
- eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
- sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,
- die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts, einschließlich anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts wie der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie deren Fälligkeit und die Art der Auszahlung,
- die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
- bei Arbeit auf Abruf Regelungen nach § 12 des Teilzeit‐ und Befristungsgesetzes,
- sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
- die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
- ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung,
- wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers,
- ein Hinweis, auf das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage,
- ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs‐ oder Dienstvereinbarungen sowie kirchenrechtliche Regelungen.
Wann muss die Niederschrift ausgehändigt werden?
Eine Niederschrift der Angaben zu Name und Anschrift der Vertragsparteien, der Zusammensetzung des Arbeitsentgelts und der vereinbarten Arbeitszeit muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung aushändigen. Den Nachweis zu Arbeitsbeginn, Befristung, Arbeitsort, Tätigkeit, Probezeit, Arbeit auf Abruf und Überstunden muss der Arbeitgeber spätestens 7 Tage nach vereinbartem Arbeitsbeginn übergeben. Die restlichen wesentlichen Vertragsbedingungen müssen spätestens 1 Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt werden.
Wirkung und Form der Niederschrift
Mit der gesetzlichen Bestimmung der Nachweispflicht legt der Gesetzgeber auch fest, was er unter „wesentlichen Vertragsbedingungen“ des Arbeitsverhältnisses bzw. den Mindestanforderungen an diese versteht.
Die Niederschrift ist allerdings kein Arbeitsvertrag. Sie gibt nur wieder, was mündlich vereinbart wurde. Wenn also die Niederschrift fehlt, beeinträchtigt dies nicht die Rechtmäßigkeit des mündlichen Abschluss eines Arbeitsvertrages. Allerdings kann aus der Niederschrift ein Arbeitsvertrag werden, wenn beide Parteien darauf unterschrieben haben. Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen darf nicht in elektronischer Form, sondern nur schriftlich erfolgen.
Die Nachweispflicht ist eine selbstständig einklagbare Nebenpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer auf die Aushändigung der Niederschrift bestehen und diesen Anspruch auch einklagen kann.
Übergibt der Arbeitgeber keine Niederschrift, verletzt er seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Entstehen dem Arbeitnehmer daraus Schäden, kann er gegen den Arbeitgeber Schadensersatz geltend machen. Zudem stellt die Nichterfüllung der Nachweispflicht seit der Neuregelung eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einem Bußgeld von bis zu 2000,- € geahndet werden.
Verletzt der Arbeitgeber seine Nachweispflicht, sehen einige Gerichte unter Umständen eine Beweislastumkehr zulasten des Arbeitgebers. (Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 6. Dezember 2002 – 2 Sa 941/02 –) Andere Gerichte sehen bislang zumindest geringere Anforderungen bei der Beweisführung für den Arbeitnehmer.
Die Nachweispflicht des Arbeitgebers entfällt, wenn ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen wird, der die geforderten Mindestangaben enthält.
Erweiterte Nachweispflichten gelten für Praktikanten, Leiharbeitsverhältnisse sowie für Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung länger als vier aufeinanderfolgende Wochen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen haben.
Nachweispflicht bei Praktikanten
Bei der Einstellung von Praktikanten gelten speziellere Regelungen. Unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrages, aber spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit müssen die wesentlichen Vertragsbestandteile schriftlich niedergelegt, unterschrieben und dem Praktikanten ausgehändigt werden.
Für Praktikanten sieht das Nachweisgesetz mindestens Angaben über
- Name und Anschrift der Vertragsparteien,
- die mit dem Praktikum verfolgten Lern‐ und Ausbildungsziele,
- Beginn und Dauer des Praktikums,
- die Dauer der regelmäßigen täglichen Praktikumszeit,
- die Zahlung und Höhe der Vergütung,
- die Dauer des Urlaubs sowie
- falls vorhanden, ein Hinweis auf anwendbare Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen.
Was gilt beim mündlichen Arbeitsvertrag, wenn nichts vereinbart wurde?
Wenn im mündlichen Arbeitsvertrag zu wesentlichen Vertragsbedingungen nichts vereinbart wurde, muss geprüft werden, ob es gesetzliche, tarifvertragliche oder betriebliche Regelungen gibt.
Regelungsbeispiele aus dem BGB
So bestehen auch bei einem mündlich geschlossen Arbeitsvertrag die grundsätzlichen Rechte und Pflichten, die das BGB beispielsweise in § 611 BGB vorgibt. Der Arbeitgeber muss den Arbeitslohn zahlen, der Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht nachkommen. Verweigert der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung kann dies den Arbeitgeber zu einer fristlosen (schriftlichen) Kündigung berechtigen. Zudem könnten Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer entstehen und eine Sperrzeit bei der Agentur für Arbeit verhängt werden. Gleichzeitig gibt das BGB Mindestvoraussetzungen für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor. So gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 BGB. (Näheres zu Kündigungsfristen können Sie hier lesen.) Zudem muss die Kündigung nach § 623 BGB schriftlich erfolgen. Sofern das Kündigungsschutzgesetz gilt, müssen Kündigungen sozial gerechtfertigt sein. (Wann das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, können Sie hier lesen.)
Regelungsbeispiele aus anderen Gesetzen
Wie beschrieben, gilt, sofern es keine Regelung oder Vereinbarung gibt, für die Vergütung die „zu erwartende Vergütung“ als vereinbart. Auch zu einigen anderen Rechten gelten, sofern vorhanden, gesetzliche Mindestbestimmungen oder tarifvertragliche Regelungen.
So gibt das Bundesurlaubsgesetz in § 5 BUrlG 4 Wochen Urlaub mit Urlaubsentgelt vor. Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) sichert dem Arbeitnehmer 6 Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) gibt gesetzliche maximale Arbeitszeiten und Pausenzeiten vor und das Mindestlohngesetz (MiLoG) setzt einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn fest.
Abgrenzungsschwierigkeiten wenn nichts geregelt ist
Wenn ein mündlicher Arbeitsvertrag geschlossen wird und die Vertragsbestimmungen nicht oder zumindest nicht nachweisbar geregelt sind können sich unter Umständen Abgrenzungsprobleme ergeben. Insbesondere wenn die Tätigkeit nicht genau beschrieben und charakterisiert ist. Dann könnte sich die Frage stellen, ob der Beschäftigte wirklich Arbeitnehmer oder doch ein freier Mitarbeiter ist. Freie Mitarbeiter sind wirtschaftlich und persönlich vom Auftraggeber unabhängig, nicht in die Arbeitsorganisation seines Betriebes eingegliedert und können selbständig über ihre Arbeitskraft verfügen. Arbeitnehmer sind dagegen in Bezug auf den Arbeitsort und die Arbeitszeit sowie der Ausführung der Tätigkeit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen und in die Arbeitsorganisation eingebunden. Arbeitnehmer genießen aber, wie oben dargelegt, einige Schutzrechte, die Selbständigen nicht zugestanden werden. (Mehr zu freien Mitarbeitern können Sie hier lesen.)
Fazit
Es ist grundsätzlich möglich, einen Arbeitsvertrag mündlich abzuschließen. Durch die Verschärfung der Nachweispflichten des Arbeitgebers müssen aber ohnehin viele wesentliche Vertragsbestandteile schriftlich niedergelegt werden. Zudem ergeben sich ohne einen schriftlichen Vertrag erhebliche Beweisprobleme, wenn Streit zwischen den Vertragsparteien über die Rechte und Pflichten sowie Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag bestehen. Insofern ist es ratsam, auch wenn ein mündlicher Arbeitsvertrag rechtlich möglich ist, wegen der praktischen Auswirkungen besser einen schriftlichen Arbeitsvertrag abzuschließen.
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