Ein Arbeitsverhältnis zeichnet sich dadurch aus, dass der Arbeitnehmer die Verrichtung seiner Arbeitstätigkeit schuldet. Verweigert er diese, liegt eine schwere Pflichtverletzung vor, die im schlimmsten Fall zur Kündigung führen kann. Doch es gibt auch Situationen, in denen die Arbeit verweigert werden darf.
table of contents
- Arbeitsverweigerung
- Indirekte Arbeitsverweigerung durch Verhalten
- Gerechtfertigte Arbeitsverweigerung?
- 1) Soziale Gründe
- 2) Zu wenig Schutzmaßnahmen
- 3) Gesundheitsgefährdende oder lebensbedrohliche Arbeiten (nicht gewartete Geräte)
- 4) Rechtswidriges Handeln / Straftat
- 5) Zurückbehaltungsrecht bei ausbleibender Lohnfortzahlung nach § 273 Abs. 1 BGB
- 6) Gegen das Gewissen oder religiöse Grundsätze
- 7) Zulässiger Streik / Arbeitsniederlegung
- 8) Verstoßes gegen kollektivrechtliche Bestimmungen
- Folgen bei unrechtmäßiger Arbeitsverweigerung
Arbeitsverweigerung
Arbeitsverweigerung liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer bewusst und willentlich eine Haupt‐ oder Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag nicht erfüllt und auch nicht durch äußere Umstände oder Unzumutbarkeit daran gehindert ist. Praktisch sieht das so aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechtes dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit zuweist, zu der der Arbeitnehmer vertraglich verpflichtet ist und dieser sich dennoch direkt weigert, sie auszuführen.
Zulässige Ausübung des Weisungsrechts
Dazu ist zunächst zu klären, ob der Arbeitnehmer diese Tätigkeit an diesem Ort und zu dieser Zeit schuldete. Dies könnte der Fall sein, wenn der Arbeitgeber sein Direktions‐ oder Weisungsrecht in zulässiger Art und Weise ausgeübt hat. Der Arbeitgeber kann im Rahmen seines Weisungsrechtes einseitig nach billigem Ermessen Arbeiten zuweisen, wenn dies nicht durch Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag eingeschränkt ist. So muss nachgesehen werden, was genau im Arbeitsvertrag steht. Die Haupt‐ und Nebenpflichten, insbesondere in Bezug auf Tätigkeit, Arbeitsort und Arbeitszeit, können entweder sehr genau oder allgemein gehalten sein.
Entweder vertraglich bestimmt: Ist genau diese zugewiesene Tätigkeit, an bestimmten Arbeitsort, zu einer festgelegten Zeit vertraglich vereinbart, darf der Arbeitgeber genau diese Arbeit zuweisen. Der Arbeitnehmer schuldet die Erledigung dieser Aufgabe. Handelt es sich um eine andere als die vereinbarte Tätigkeit, einen anderen Arbeitsort oder eine andere Arbeitszeit, so muss der Arbeitnehmer diese Arbeit grundsätzlich nicht ausführen, es sei denn, es liegt ein Notfall vor. In diesem Fall müsste der Arbeitnehmer auch über seine arbeitsvertragliche Hauptpflicht hinaus tätig werden, um erheblichen Schaden für den Betrieb abzuwenden.
Oder vertraglicher Rahmen: Oft wird die Tätigkeitsbeschreibung in Arbeitsverträgen aber allgemein gehalten, so dass der Arbeitgeber flexibel reagieren kann und gleichartige Arbeiten zuweisen kann ohne gleich den Arbeitsvertrag ändern zu müssen.
„Werden die Leistungspflichten eines Arbeitnehmers in einem Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben, so ist der Arbeitnehmer regelmäßig verpflichtet, den sich innerhalb dieses Rahmens haltenden Weisungen des Arbeitgebers Folge zu leisten.“ (BAG, Urteil vom 20. Dezember 1984 – 2 AZR 436/83).
Dann muss sehr sorgfältig untersucht werden, ob sich die zugewiesene Aufgabe noch an den Rahmen des Arbeitsvertrages hält oder nicht. Im Zweifel sollte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auf seine Bedenken aufmerksam machen. Der Arbeitnehmer sollte die Arbeiten aber lieber zunächst ausführen, um keine Abmahnung oder Kündigung zu riskieren, wenn sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweisen sollte.
Arbeitszeit
Auch bezüglich der Arbeitszeiten kommt es darauf an, wie sie vereinbart sind und ob es eine Überstundenregelung gibt. Der Arbeitnehmer schuldet seine Arbeitsleistung grundsätzlich nur zu den vereinbarten Arbeitszeiten. Eine gesetzliche Verpflichtung zu Überstunden gibt es nicht. Sind arbeitsvertragliche Regelungen getroffen worden, ob und wenn ja, wie viele Überstunden zu leisten sind, muss der Arbeitnehmer Aufgaben auch in diesem zeitlichen Bereich ausführen. Ohne eine vertragliche Regelung kann der Arbeitnehmer auch bei einer Notlage für den Betrieb zu Überstunden verpflichtet werden.
Arbeitsort
Auch beim Arbeitsort kommt es darauf an, wie genau dieser festgelegt ist. Wird genau ein Standort, eine Filiale, eine Abteilung vereinbart, so darf dem Arbeitnehmer auch nur dort Arbeit zugewiesen werden. Oft enthalten Arbeitsverträge daher Öffnungsklauseln, die den Einsatz in anderen Arbeitsorten erlauben.
Es kommt also bei der Tätigkeit, dem Arbeitsort und der Arbeitszeit immer auf den Einzelfall an, was vertraglich vereinbart wurde.
Indirekte Arbeitsverweigerung durch Verhalten
Unabhängig von vertraglichen Regelungen gibt es aber auch Verhaltensweisen, die allgemein als Arbeitsverweigerung eingestuft werden können. Beispiele sind:
- Unentschuldigtes Fehlen bei der Arbeit oder früheres Verlassen der Arbeit
- Verweigerung vertraglich vorgesehener Überstunden
- Androhen von Krankfeiern und anschließende Krankmeldung
- Fernbleiben nach einer Kündigung während der Kündigungsfrist
Problematisch ist, wenn ein Arbeitnehmer bewusst sehr langsam arbeitet. Denn jeder Mensch kann ein anderes Arbeitstempo haben. Es ist dann zu klären, ob er nicht schneller arbeiten kann, dann wäre es keine Arbeitsverweigerung oder ob er nicht schneller arbeiten will.
Gerechtfertigte Arbeitsverweigerung?
Wenn nun aber eine zulässige Tätigkeit zugewiesen wird, kann es dennoch sein, dass eine Arbeitsverweigerung rechtmäßig erfolgt. Nämlich dann, wenn nach § 275 Abs. 3 BGB unter Abwägung eines der Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung ausnahmsweise nicht zugemutet werden kann. Das können z.B. sein:
1) Soziale Gründe
So kann ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bestehen, wenn ihm aus sozialen Gründen die Arbeit vorübergehend nicht zumutbar ist. Etwa wegen eines Trauerfalls in der Familie oder der Pflege Angehöriger. Das setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer alle anderen möglichen Maßnahmen zur Abwendung ausgeschöpft hat, also z.B. niemand anders die Pflege übernehmen kann.
2) Zu wenig Schutzmaßnahmen
Der Arbeitgeber muss nach § 618 BGB die Arbeitsräume und Arbeitsgerätschaften so einrichten, dass dem Arbeitnehmer bei der Arbeit keine Gefahr für Leib und Leben entsteht. Geschieht dies nicht, kann der Arbeitnehmer die Arbeit rechtmäßig verweigern. Allerdings kann die Zuweisung eines Arbeitsplatzes, mit zu geringen Schutzmaßnahmen dann billigem Ermessen entsprechen, wenn es sich um bloß geringfügige oder kurzzeitige Verstöße handelt, die keinen nachhaltigen Schaden bewirken können. Dann bestünde die Arbeitsverpflichtung weiterhin.
3) Gesundheitsgefährdende oder lebensbedrohliche Arbeiten (nicht gewartete Geräte)
Der Arbeitgeber darf keine Aufgaben zuweisen, die die Gesundheit oder gar das Leben der Arbeitnehmer gefährden. Das ist z.B. bei Arbeiten bei großer Hitze oder Kälte denkbar. Der Arbeitgeber muss dann Maßnahmen ergreifen, die die Gesundheitsgefährdung verhindern. Unterlässt er dies, kann die Arbeit verweigert werden. Ausnahmen gelten hier in Berufen, in denen Gesundheitsgefährdung und lebensbedrohliche Arbeiten Bestandteil der Tätigkeit sind, wie z.B. Rettungswesen oder Bombenentschärfer. In solchen Arbeitsverhältnissen sind gesundheitsgefährdende Tätigkeiten aber ausdrücklich vertraglich erfasst.
4) Rechtswidriges Handeln / Straftat
Nach § 134 BGB ist der Arbeitnehmer nicht zum Handeln gegen ein gesetzliches Verbot verpflichtet. Das bedeutet, dass Arbeiten, die gegen das Gesetz, einen Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder die guten Sitten verstoßen nicht ausgeführt werden müssen und verweigert werden dürfen.
5) Zurückbehaltungsrecht bei ausbleibender Lohnfortzahlung nach § 273 Abs. 1 BGB
Wenn der Arbeitgeber mit den Gehältern in erheblicher Höhe im Rückstand ist, darf der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zurückhalten. Dadurch soll er seinen Arbeitgeber zur Gehaltszahlung bewegen können. Allerdings muss der Arbeitnehmer seinen Chef zunächst zur Gehaltszahlung auffordern. In einem zweiten Schritt kann er dann die Zurückbehaltung der Arbeitskraft androhen.
6) Gegen das Gewissen oder religiöse Grundsätze
Schon nach dem Grundgesetz soll niemand gezwungen werden, gegen sein Gewissen oder gegen seine Religion zu handeln. Der Arbeitgeber muss auch die Grundrechte des Arbeitnehmers berücksichtigen.
Wenn der Arbeitnehmer darlegen kann, dass ihm wegen einer aus einer spezifischen Sachlage folgenden ernste Gewissensnot heraus nicht zuzumuten ist, die an sich vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, kann eine Arbeitsverweigerung gerechtfertigt werden. Für die Interessenabwägung ist allerdings entscheidend, ob der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss bereits damit rechnen musste, solche Tätigkeiten typischerweise zugewiesen zu bekommen und daher der Gewissenskonflikt vorhersehbar war. Dann könnte sich der Arbeitnehmer nämlich nicht mehr auf den Gewissenskonflikt berufen. Unschädlich sind dagegen nachträgliche Änderungen der Haltung des Arbeitnehmers, z.B. aufgrund eines Schlüsselereignisses. Entscheidend ist die Gewissenshaltung zum Zeitpunkt der Weisung.
Eine Unzumutbarkeit wegen eines Gewissens‐ oder Glaubenskonfliktes würde eine verhaltensbedingte Kündigung ausschließen. Allerdings wäre unter Umständen eine personenbedingte Kündigung denkbar, wenn die Situation regelmäßig auftritt und im Betrieb keine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer besteht.
7) Zulässiger Streik / Arbeitsniederlegung
Wenn der Streik rechtmäßig ist, darf die Arbeit rechtmäßig verweigert werden. Dazu muss der Streik von einer Gewerkschaft geführt werden und auf den Abschluss eines Tarifvertrages gerichtet sein.
8) Verstoßes gegen kollektivrechtliche Bestimmungen
Wenn z.B. die Zustimmungsbedürftigkeit einer personellen Maßnahme durch den Betriebsrat nach § 99 BetrVG gerade auch dem Schutz des Arbeitnehmers dienen soll, können kollektivrechtliche Bestimmungen auch auf einzelne Arbeitnehmer angewendet werden. So kann eine fehlende Zustimmung des Betriebsrates dazu führen, dass eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz oder die Zuweisung einer anderen Tätigkeit rechtswidrig ist und diese Tätigkeit verweigert werden darf.
Folgen bei unrechtmäßiger Arbeitsverweigerung
1) Ermahnung
Als ersten Schritt wird der Arbeitgeber den Arbeitnehmer regelmäßig erst einmal ermahnen, dass er seiner Arbeitspflicht nachkommen soll. Dies ist eine schwächere Vorstufe zur Abmahnung und soll den Arbeitnehmer darauf aufmerksam machen, dass der Chef dieses Verhalten nicht billigt.
2) Abmahnung
Im Unterscheid zur Ermahnung muss hier die Arbeitsverweigerung als Fehlverhalten klar benannt werden. Zudem muss mit der Konsequenz der Kündigung gedroht werden, wenn das Verhalten beibehalten wird. Die Abmahnung ist eine eindringliche Aufforderung des Arbeitgebers, sich vertragsgemäß zu verhalten und die Arbeit unverzüglich aufzunehmen. Anderenfalls wird das Arbeitsverhältnis „aufs Spiel zu gesetzt”. Der Arbeitnehmer muss dann damit rechnen, dass eine erneute Arbeitsverweigerung nicht mehr hingenommen wird. Die Abmahnung ist oft die Voraussetzung für eine folgende Kündigung.
(Näheres zur Abmahnung können Sie hier lesen.)
3) Kündigung (ordentlich oder fristlos)
Eine fristgemäße Kündigung oder gar fristlose Kündigung sollen stets das letzte Mittel sein, wenn Ermahnung oder Abmahnung nicht zu einer Verhaltensänderung beim Arbeitnehmer führen.
Der Arbeitnehmer muss seine geschuldete Arbeitsleistung beharrlich nicht erfüllen, das heißt, dass der Arbeitnehmer bewusst, wiederholt und nachhaltig die ihm übertragene Arbeit nicht leistet. Die beharrliche Arbeitsverweigerung setzt in der Person des Arbeitnehmers eine Nachhaltigkeit im Willen voraus. Insoweit kommt es darauf an, ob zu erwarten ist, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft diese Aufgabe nicht ausführen wird.
Meistens wird von den Gerichten eine Abmahnung als Voraussetzung für eine Kündigung verlangt. Eine Abmahnung ist nur dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass die Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Es kommt also darauf an, wie schwerwiegend die Arbeitsverweigerung bzw. deren Folgen sind und wie oft dies vorkam.
„Das Fehlen eines Arbeitnehmers an bloß einem einzigen Arbeitstag ist regelmäßig nicht geeignet, eine fristlose Kündigung ohne Ausspruch einer vorhergehenden Abmahnung zu rechtfertigen.“
(Landesarbeitsgericht Schleswig‐Holstein, Urteil vom 3. Juni 2020 – 1 Sa 72/20 –)
Liegt eine Beharrlichkeit der Arbeitsverweigerung vor, muss es zusätzlich für den Arbeitgeber unzumutbar sein, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Auch hierfür ist entscheidend, welcher Schaden dem Arbeitgeber durch die Arbeitsverweigerung entstehen könnte und ob der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht anderweitig beschäftigt werden könnte. Die fristlose Kündigung soll stets das allerletzte Mittel sein.
(Näheres zur fristlosen Kündigung können Sie hier lesen.)
Dementsprechend sind während einer Probezeit erhöhte Anforderungen an die Unzumutbarkeit zu stellen, da nach § 622 Abs. 3 BGB ohnehin nur 2 Wochen Kündigungsfrist vorgeschrieben ist.
Ist eine Beharrlichkeit nicht ersichtlich, kann allenfalls fristgemäß gekündigt werden.
Übrigens:
Arbeitspflicht grundsätzlich auch bei Kündigung
Auch nach einer ordentlichen Kündigung besteht noch bis zum Ende der Kündigungsfrist Arbeitspflicht, sofern der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht von seinen Arbeitsverpflichtungen freistellt oder ihm Resturlaub gewährt. Die Kündigung berechtigt nicht zur Arbeitsverweigerung. So könnte ein Fernbleiben der Arbeit während einer laufenden Kündigung und einem Kündigungsschutzprozess einen weiteren Kündigungsgrund liefern.
4) Schadenersatz
Wenn durch die Arbeitsverweigerung schuldhaft ein finanzieller Schaden herbeigeführt wird, etwa weil für die betreffende Tätigkeit eine Ersatzkraft eingestellt werden muss, kann der Arbeitnehmer womöglich aus seiner Arbeitsverweigerung heraus haftbar sein (§§ 311a, 280 Abs. 1 und 3, § 283 BGB). Dazu müsste die Arbeitsverweigerung aber auch für den Arbeitgeber unvorhersehbar gewesen sein.
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