Wenn der Arbeitnehmer durch sein Handeln oder Unterlassen eine Hauptpflicht oder Nebenpflicht aus seinem Arbeitsvertrag verletzt, kann nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. Eine verhaltensbedingte Kündigung hat aber für den Arbeitnehmer mitunter drastische Folgen. Daher werden hohe Anforderungen an die Rechtmäßigkeit bzw. soziale Rechtfertigung der verhaltensbedingten Kündigung gestellt.
Inhaltsverzeichnis
- Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
- Voraussetzungen der verhaltensbedingten Kündigung
- Vertragsverletzung oder Verletzung einer Nebenpflicht
- Verhältnismäßigkeit
- Kündigungsfristen bei der verhaltensbedingten Kündigung
- Schriftform der verhaltensbedingten Kündigung
- Betriebsrat
- Sperrzeit
- Frist zur Einlegung der Kündigungsschutzklage
Wenn der Arbeitnehmer durch ein ihm zurechenbares, steuerbares Verhalten eine arbeitsvertragliche Pflicht schuldhaft verletzt, kann darin ein Grund liegen, der nach § 1 Abs. 2 KSchG eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen kann, sofern das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist.
Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist anwendbar, wenn in einem Betrieb mehr als 10 Mitarbeiter angestellt sind. Außerdem muss der Arbeitnehmer im Unternehmen länger als 6 Monate ohne Unterbrechung tätig gewesen sein. Freie Mitarbeiter sind vom KSchG ausgeschlossen.
Voraussetzungen der verhaltensbedingten Kündigung
Damit eine verhaltensbedingte Kündigung begründet ist, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflicht des Arbeitnehmers,
- die Schuldhaftigkeit des Handelns des Arbeitnehmers,
- die Kündigung ist das verhältnismäßige Mittel,
- bei einer Interessenabwägung überwiegen die Interessen des Arbeitgebers.
Vertragsverletzung oder Verletzung einer Nebenpflicht
Als Vertragsverletzung kommen Handlungen oder Unterlassungen in Betracht, die arbeitsvertragliche Leistungsstörungen, Verstöße gegen Verhaltenspflichten, Störungen im Vertrauensbereich oder eine Verletzung von Nebenpflichten darstellen.
Umfang der arbeitsvertraglichen Pflichten
Was arbeitsvertragliche Pflichten sind, ist teilweise im Arbeitsvertrag geregelt. Nach § 2 NachwG (Nachweisgesetz) muss die vom Arbeitnehmer zu leistende Tätigkeit bereits im Arbeitsvertrag kurz charakterisiert werden. Ebenso der Arbeitsort, die Arbeitszeit und andere Arbeitsbedingungen. Selbstverständlichkeiten, beispielsweise, dass die Arbeit auch tatsächlich und persönlich geleistet wird, müssen nicht besonders erwähnt werden. Arbeitsvertragliche Pflichten werden durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers konkretisiert, sofern die Tätigkeit nur allgemein umschrieben ist.
Pflichtverletzungen können beispielsweise in Verspätungen, Verweigerung der Arbeit oder von Überstunden, langsamer oder fehlerhafter Arbeit oder in Nebenbeschäftigung bei der Konkurrenz zum Nachteil des Arbeitgebers bestehen.
Nebenpflichten
Die Verletzung einer Nebenpflicht kann durch Tätlichkeiten oder Beleidigungen von Vorgesetzten, Mitarbeitern, Kunden oder Schutzbefohlenen sowie durch Straftaten wie Diebstahl oder Betrug (sofern diese das Unternehmen konkret beeinträchtigen) oder durch Verstoß gegen betriebliche Regeln, wie ein Alkoholverbot, Sicherheitsbestimmungen oder ein Verbot der Privatnutzung des Internets erfolgen.
(Näheres zu verhaltensbedingten Kündigungen wegen privater Nutzung des Internets am Arbeitsplatz können Sie hier lesen.)
Nebenpflichten können ausdrücklich vereinbart sein (beispielsweise im Arbeitsvertrag) oder sich aus der allgemeinen Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber ergeben.
Treuepflicht bedeutet, dass der Arbeitnehmer bei seiner Arbeit das Eigentum und andere Rechtsgüter des Arbeitgebers vor Schaden oder Verschlechterung bewahren muss. Außerdem ist der Arbeitnehmer aus der Treuepflicht heraus verpflichtet, auch außerhalb des Vertragsverhältnisses alles zu unterlassen, was den Vertragszweck gefährden oder das gegenseitige Vertrauen erschüttern kann.
Primär kommt es natürlich auf das Verhalten während der Arbeit an. Außerdienstliches Verhalten rechtfertigt nur dann eine verhaltensbedingte Kündigung, wenn es das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt. Beispielsweise wenn dies zur Minderleistung bzw. Schlechtleistung des Arbeitnehmers führt, die betriebliche Verbundenheit stört oder den Vertrauensbereich der Vertragspartner beeinträchtigt.
Steuerbares Handeln
Für eine verhaltensbedingte Kündigung muss das vorwerfbare Verhalten, in Abgrenzung zur personenbedingten Kündigung, vom Arbeitnehmer willentlich steuerbar sein. Im Gegensatz zum personenbedingten Kündigungsgrund könnte man hier sagen: Der Arbeitnehmer kann seine Arbeitsleistung vertragsgemäß erbringen, will aber nicht. Die Abgrenzung kann mitunter schwierig sein, wenn ein Verhalten des Arbeitnehmers dazu führt, dass seine Arbeitsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigt wird. Beispielsweise kann übermäßiger Alkoholkonsum in der Freizeit zu Arbeitsausfällen während der Arbeitszeit führen. Oder ein Arbeitnehmer verweigert Fortbildungsmaßnahmen und verliert dadurch seine fachliche Eignung für die Ausübung seiner Tätigkeit.
Schuldhaftes Verhalten
Für die Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung wird wegen der in ihr vorzunehmenden Interessenabwägung regelmäßig ein schuldhaftes und vorwerfbares Verhalten gefordert. Es wird sowohl vorsätzliches als auch fahrlässiges Verhalten erfasst. Die Schuldhaftigkeit eines Pflichtenverstoßes wird in vielen Fallkonstellationen automatisch vermutet. Auch ein Irrtum über die Vertragswidrigkeit eines Verhaltens wird grundsätzlich als schuldhaft angesehen. Der Arbeitnehmer muss dann beweisen, dass sein Verhalten entschuldbar bzw. gerechtfertigt war.
Verhältnismäßigkeit
Die verhaltensbedingte Kündigung muss verhältnismäßig sein. Dazu muss sie ultima ratio, das letzte Mittel sein und in einer abgestuften Prüfung als verhältnismäßig festgestellt werden.
ultima ratio
Die Kündigung soll den Arbeitnehmer nicht bestrafen, sondern immer nur ultima ratio, also das letzte Mittel sein, um die Beeinträchtigungen für den Arbeitgeber bzw. seinen Betrieb zu beenden und zukünftig zu verhindern. Daher ist vor Ausspruch der verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich mindestens eine Abmahnung zu erteilen, damit der Arbeitnehmer die Lage erkennen kann und die Möglichkeit hat, sein Verhalten zu ändern.
Durch das Erfordernis einer Abmahnung vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung soll der mögliche Einwand des Arbeitnehmers ausgeräumt werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht gekannt oder jedenfalls nicht damit rechnen müssen, der Arbeitgeber sehe dieses Verhalten als so schwerwiegend an, dass er zu kündigungsrechtlichen Konsequenzen greifen werde
(BAG, Urteil vom 31. August 1989 – 2 AZR 13/89 –)
Wiederholt der Arbeitnehmer sein vertragsverletzendes Verhalten dennoch, kann vom Arbeitnehmer eine Prognose getroffen werden, dass sich das Verhalten vertragsverletzend darstellen und zu Beeinträchtigungen führen wird.
Abmahnung
Bei der verhaltensbedingten Kündigung ist grundsätzlich eine Abmahnung notwendig, damit die Kündigung rechtmäßig ist. Mit einer Abmahnung bringt der Arbeitgeber deutlich zum Ausdruck, dass er das Verhalten des Arbeitnehmers missbilligt und bei einer Wiederholung eine Kündigung drohen könnte. Die Abmahnung wird üblicherweise in die Personalakte aufgenommen.
Die Abmahnung hat drei Funktionen.
Hinweis
Mit der Abmahnung macht der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darauf aufmerksam, dass er ein bestimmtes Verhalten als arbeitsvertragswidrig ansieht. Dieses Fehlverhalten muss so detailliert wie möglich beschrieben werden, möglichst mit Datum und Uhrzeit. Pauschale Hinweise reichen nicht. Das Verhalten muss deutlich als Vertragsverstoß hervorgehoben werden.
Warnung
Mit der Abmahnung fordert der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf, dieses Verhalten zukünftig zu unterlassen und warnt ihn unmissverständlich, dass bei Wiederholung dieses Verhaltens eine Kündigung drohen könnte. Das Bundesarbeitsgericht lässt es auch ausreichen, wenn in der Abmahnung „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ angedroht werden.
Eine ausdrückliche Kündigungsandrohung ist dafür nicht erforderlich. Es ist ausreichend, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, der Arbeitgeber werde im Wiederholungsfall möglicherweise auch mit einer Kündigung reagieren.
(BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 258/11 –)
Ohne eine ausdrückliche Mahnung, dass bei Wiederholung des beanstandeten Verhaltens mit der Kündigung bzw. arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen ist, handelt es sich um keine Abmahnung. Es dürfte sich dann vielmehr um eine Ermahnung handeln.
Dokumentation
Durch die Abmahnung dokumentiert der Arbeitgeber, dass er Sie auf das Fehlverhalten sowie auf die Folgen hingewiesen hat und welches konkrete Verhalten er rügt. Damit schafft er eine beweisbare Grundlage für eine mögliche, negative Verhaltensprognose einer möglicherweise folgenden Kündigung.
Abmahnberechtigung, wer darf abmahnen?
Meistens wird der Arbeitgeber abmahnen. Abmahnen darf aber grundsätzlich jede Person, die auf Grund ihrer Aufgabenstellung dazu befugt ist, arbeitsbedingte Anweisungen zu erteilen. Sie muss nicht berechtigt sein, eine Kündigung auszusprechen.
Zu welchem Zeitpunkt muss abgemahnt werden?
Es gibt keine generelle Ausschlussfrist für eine Abmahnung. Allerdings kann eine Abmahnung ihre Funktion, eine Kündigung vorzubereiten, verlieren, wenn der gerügte Verstoß längere Zeit zurückliegt und dieses Fehlverhalten seither nicht wiederholt wurde. Wie lange dieser Zeitraum ist, hängt vom Einzelfall ab.
Wie oft muss abgemahnt werden?
Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt keine bestimmte Anzahl von Abmahnungen voraus. Je nach Schwere des Fehlverhaltens kann bereits eine einzige Abmahnung ausreichen, um dem Arbeitnehmer deutlich zu machen, dass bei der nächsten Wiederholung des Verhaltens die Kündigung folgen kann. Es kommt auf den Einzelfall an, wie viele Warnungen als notwendig angesehen werden, damit der Arbeitnehmer die Ernsthaftigkeit der Lage erkennen musste. Darüber hinaus hängt es davon ab, wie lange etwaige Pflichtverstöße auseinander liegen. Liegen sie zeitlich nahe beieinander, kann eine Abmahnung ausreichen. Zeigt der Arbeitnehmer zwischen den Verstößen das gerügte Verhalten geraume Zeit nicht, dürfte eine erneute Abmahnung nötig sein.
Viele Abmahnungen
Mahnt der Arbeitgeber mehrfach wegen desselben Verhaltens ab, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen, muss er dann aber deutlich machen, wenn eine Abmahnung „wirklich“ die letzte vor der Kündigung sein soll. Wenn zu viele Abmahnungen ohne Konsequenzen ausgesprochen werden, könnte daraus geschlossen werden, dass stillschweigend auf eine Kündigung verzichtet werden soll.
Keine Abmahnung
Eine Abmahnung kann sogar ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn nicht damit gerechnet werden muss, dass durch eine Abmahnung das Vertrauensverhältnis wiederhergestellt werden kann oder wenn eine Warnung des Arbeitnehmers überflüssig ist. Dies kann der Fall sein, wenn die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers sehr schwer war oder wenn sie den Vertrauensbereich des Arbeitsverhältnisses betrifft, beispielsweise bei Diebstahlsfällen oder Unterschlagung. Wenn das Verhalten des Arbeitnehmers zu einer massiven Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien führt, kann eine Weiterbeschäftigung im Arbeitsverhältnis für den Arbeitgeber unzumutbar werden. Ein Verhalten, dass zu einem erschütterten Vertrauensverhältnis führt, muss nur in wenigen Ausnahmefällen abgemahnt werden.
Ist der Pflichtenverstoß derart offensichtlich, dass der Arbeitnehmer sie auch ohne Warnung des Arbeitgebers erkennen muss, ist eine Abmahnung überflüssig und damit entbehrlich.
Bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ist eine Abmahnung jedenfalls dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist.
(BAG, Beschluss vom 10. Februar 1999 – 2 ABR 31/98 –, BAGE 91, 30–40)
Übrigens kann eine vorangegangene Kündigung, bei der ein Kündigungssachverhalt festgestellt wurde und die Kündigung nur aus formellen Gründen für unwirksam erklärt wurde, im fortdauernden Arbeitsverhältnis durchaus als Abmahnung wirken. Denn der Arbeitgeber hat ja deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Verhalten des Arbeitnehmers missbilligt und diesem beim nächsten Verstoß durch eine Kündigung begegnen will. (BAG, Urteil vom 31. August 1989 – 2 AZR 13/89 –)
Muss schriftlich abgemahnt werden?
Die Abmahnung ist zwar auch wirksam, wenn sie nur ausgesprochen wird. Allerdings ist eine mündliche Kündigung schwerer zu beweisen. Die Darlegungslast und Beweislast trägt in diesem Fall der Arbeitgeber. Daher werden Abmahnungen in der Regel schriftlich erteilt.
Sonstige mildere Mittel
Neben der Abmahnung stehen dem Arbeitgeber mitunter auch noch andere Mittel zur Verfügung, um die Beeinträchtigung durch das Verhalten des Arbeitnehmers zu beseitigen und zu verhindern.
Versetzung
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Mittel muss der Arbeitgeber prüfen, ob eine Möglichkeit besteht, die Beeinträchtigungen durch das Verhalten des Arbeitnehmers durch eine Versetzung auf einen anderen, freien Arbeitsplatz erreicht werden kann. Dies könnte der Fall sein, wenn anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten an dem neuen Arbeitsplatz bzw. der neuen Tätigkeit nicht wiederholen wird. Rein logisch kommt dieses Mittel nur dann in Betracht, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers sich spezifisch auf diesen Arbeitsplatz bezieht und nicht unabhängig vom Arbeitsplatz gezeigt wird.
Änderungskündigung
Ein weiteres milderes Mittel, das einer verhaltensbedingten Beendigungskündigung vorzuziehen wäre, ist die Änderungskündigung. Durch diese wird das bisherige Arbeitsverhältnis aufgelöst, aber zeitgleich der Abschluss eines neuen Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen angeboten. Die neuen Vertragsbedingungen sollten allerdings für beide Seite zumutbar sein und nicht zu einer völlig unterwertigen Beschäftigung führen. Das Angebot einer Änderungskündigung kann unterbleiben, wenn der Arbeitnehmer von vornherein eine Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz ablehnt.
(Näheres lesen Sie dazu im Artikel zur Änderungskündigung)
Abgestufte Prüfung
Im Rahmen der abgestuften Prüfung muss festzustellen sein, dass durch ein objektiv schuldhaftes, pflichtwidrige Verhalten des Arbeitnehmers der Betrieb des Arbeitgebers zukünftig konkret beeinträchtigt werden wird. Zudem muss im Rahmen einer Interessenabwägung die Kündigung als angemessenes Mittel festgestellt werden, dies zu verhindern.
1) Objektive Pflichtenverletzung als Grund
Ist ein bestimmter Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten bereits ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls objektiv geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen?
Entscheidend ist dafür nicht, ob der Arbeitgeber dies subjektiv so sieht, sondern es wird objektiv betrachtet, ob ein besonnener und verständiger Arbeitgeber dieses Verhalten als Kündigungsgrund sehen würde.
Für eine verhaltensbedingte Kündigung genügen solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegende Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Dabei ist nicht von dem Standpunkt des jeweiligen Arbeitgebers auszugehen. Vielmehr gilt ein objektiver Maßstab. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechts-(vertrags)widrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist; die Leistungsstörung muß dem Arbeitnehmer vorwerfbar sein.
(BAG, Urteil vom 21. November 1996 – 2 AZR 357/95 –)
Beispiele für Pflichtverletzungen
Anerkannte Pflichtverletzungen sind beispielsweise: Abkehrwille des Arbeitnehmers, Störung des Betriebsfriedens, Abwerbung von Kollegen für andere Betriebe, Nichtleistung oder Minderleistung der Arbeit, Internetnutzung oder Email‐Nutzung während der Arbeitszeit, Mobbing gegen Kollegen oder den Arbeitgeber, Ausübung unzulässiger Nebentätigkeit und strafbare Handlungen gegen den Arbeitgeber, Kollegen oder Dritte.
negative Prognose
Der Arbeitgeber muss eine Prognose darüber anstellen, ob auch in Zukunft mit einer Wiederholung des gerügten Verhaltens seitens des Arbeitnehmers zu rechnen ist. Allein das in der Vergangenheit liegende Verhalten des Arbeitnehmers reicht nicht aus, um eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Üblicherweise ist die der Kündigung vorausgehende Abmahnung der ausschlaggebende Anhaltspunkt für die Prognose des Arbeitgebers. Wenn dem Arbeitnehmer nach der Abmahnung klar sein musste, dass der Arbeitgeber dieses Verhalten nicht duldet und mit einer Kündigung reagieren wird und er es dennoch wiederholt, muss der Arbeitgeber damit rechnen, dass dies auch zukünftig immer wieder passieren wird.
Nach Zugang der Kündigung entstandene Gründe sind für die soziale Rechtfertigung der bereits ausgesprochenen Kündigung ohne Belang, sie können aber Grund für eine weitere Kündigung sein.
2) Interessenabwägung
Zur sozialen Rechtfertigung der verhaltensbedingten Kündigung muss in der zweiten Stufe abgewogen werden, ob in diesem konkreten Einzelfall, unter Berücksichtigung aller Umstände, unter Abwägung der Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses, die Kündigung „angemessen und billigenswert“ ist.
Auf Seiten des Arbeitgebers ist das Interesse beispielsweise zu berücksichtigen, Betriebsablaufstörungen zu beenden sowie die Funktionsfähigkeit des Betriebes aufrecht zu erhalten, Vermögensschaden zu vermeiden, den Betriebsfrieden zu wahren, Imageschaden für den Betrieb abzuwenden sowie die übrige Belegschaft zu schützen.
Im Sinne des Arbeitnehmers ist beispielsweise die Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Häufigkeit und Schwere der Pflichtverstöße, zu berücksichtigen. Auch ist relevant, ob der Arbeitgeber das Verhalten lange durchgehen ließ und ob das Verhalten des Arbeitnehmers lange Zeit beanstandungsfrei war.
Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können – je nach Lage des Falles – Bedeutung gewinnen. Sie sind jedenfalls nicht von vornherein von der Berücksichtigung ausgeschlossen.
(BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 415/05 –)
Das Gericht hat bei der Interessensabwägung einen Ermessensspielraum und wird die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls berücksichtigen. Deswegen kann man nicht pauschal sagen, welche Interessen überwiegen.
Kündigungsfristen bei der verhaltensbedingten Kündigung
Bei der Kündigung aus verhaltensbedingtem Grund ist sowohl die ordentliche Kündigung, als auch die außerordentliche (fristlose) Kündigung möglich.
Bei eine ordentlichen (fristgemäßen) Kündigung ergeben sich die Fristen aus § 622 BGB oder dem Arbeitsvertrag bzw. Tarifvertrag. Die sogenannte „fristlose Kündigung“ ist aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist nur dann möglich, wenn eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einer der Vertragsparteien nicht zugemutet werden kann. (Näheres siehe Artikel zur fristlosen Kündigung)
Schriftform der verhaltensbedingten Kündigung
Die Kündigung muss nach § 626 BGB schriftlich erfolgen. Das gilt sowohl für Kündigungen durch den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer. Die Schriftform der Kündigung ist sowohl bei der ordentlichen, als auch bei der fristlosen Kündigung vorgeschrieben. Die Kündigung hat klar, eindeutig und bestimmt zu sein. Sie muss deutlich zum Ausdruck bringen, dass das Arbeitsverhältnis beendet sein soll.
(Näheres zur Schriftform der Kündigung können Sie hier in unserem Artikel lesen.
Betriebsrat
Gibt es in dem Unternehmen einen Betriebsrat, so muss der Arbeitgeber diesen gemäß § 102 Absatz 1 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung des Arbeitsvertrages anhören, damit sie nicht unwirksam ist. Sofern der Arbeitgeber fristgerecht Kündigungsschutzklage erhebt, würde bei ausgebliebener Anhörung die Kündigung vom Arbeitsgericht aufgehoben werden. In einem solchen Fall hat der Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage sichere Aussicht auf Erfolg. Der Betriebsrat kann in bestimmten Fällen wie etwa bei der unzureichenden Berücksichtigung sozialer Kriterien der Kündigung widersprechen.
Sperrzeit
Wenn der Arbeitnehmer durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Grund zur Kündigung gibt und dadurch die Arbeitslosigkeit herbeiführt, wird die Agentur für Arbeit in der Regel eine Sperrzeit von 12 Wochen verhängen. Das bedeutet, das Arbeitslosengeld 1 wird nicht ausgezahlt. Diese Zahlung wird auch nicht nachgeholt. Der Arbeitslosengeldanspruch wird um 12 Wochen verringert.
Frist zur Einlegung der Kündigungsschutzklage
Wenn sich der Arbeitnehmer gegen die Kündigung wehren will, so muss er sich innerhalb von 3 Wochen nach Zustellung der Kündigungserklärung eine Kündigungsschutzklage vor dem örtlich zuständigen Arbeitsgericht erheben. Die Einhaltung dieser 3‑Wochen‐Frist ist ganz wichtig. Nach ihrem Ablauf gibt in der Regel keine rechtliche Möglichkeit mehr, um sich gegen die Kündigung zu verteidigen. Die Kündigung wird dann bestandskräftig, auch wenn die Kündigungsgründe möglicherweise ursprünglich gar nicht für eine Kündigung ausgereicht hätten oder der Arbeitgeber sie gar nicht hätte beweisen können.
Eine Kündigung muss man nicht kampflos hinnehmen!
Gegen eine Kündigung kann man sich in vielen Fällen wehren!
Eine entsprechende Kündigungsschutzklage muss aber innerhalb von drei Wochen beim Arbeitsgericht eingehen. Eine Fristverlängerung ist nur in ganz seltenen Fällen möglich.
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